"Lassen Sie Menschen nicht durchs Netz fallen!" - Protestaktion der LAG FW vor dem niedersächsischen Landtag

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG FW) warnt: Die Migrationsberatungsstellen in Niedersachsen drohen dem Rotstift der Landesregierung zum Opfer zu fallen. Bis zum Jahr 2023 sind Kürzungen der Landesmittel um 48 Prozent für diesen Bereich geplant. Um dagegen zu protestieren, wurde am heutigen Vormittag vor dem niedersächsischen Landtag ein Netz gespannt, das das Netzwerk der rund 200 Migrationsberatungsstellen symbolisiert.

 

Dieses Netz leistet bisher gute Arbeit für die Integration von Menschen. Sollten die Kürzungen wie geplant kommen, wird dieses Netz zusammenfallen, wichtiges Know-How verloren gehen und eine entscheidende Hilfe zur Integration von Migrant*innen wegbrechen.

Der aktuelle Haushaltsplanentwurf 2022/23 der Landesregierung weist für die nächsten Jahre im Bereich Migration und Teilhabe erhebliche Kürzungen aus. Am stärksten sind die Kürzungen im Bereich der Migrationsberatung, die um bis zu 70 Prozent bis 2024 sinken sollen, konkret von rund 10,06 Mio. Euro (2021) auf ca. 3,2 Mio. Euro (2024). Das bedeutet, dass von den aktuell rund 200 Stellen, die über die Richtlinie gefördert werden, bis 2023 rund die Hälfte und bis 2024 70 % reduziert werden.

„Migration und Flucht gehören weiterhin zu den vier großen gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre neben Klimawandel, Digitalisierung und Demographie,“ so Marco Brunotte, Vorsitzender des Vorstands des AWO Bezirksverbands Hannover e. V. und stellvertretender Vorsitzender der LAG FW. „Die geplanten Kürzungen sind mit den Entwicklungen und Bedürfnissen nicht vereinbar, denn der Prozess der Integration ist nicht innerhalb weniger Jahre abgeschlossen. Wir müssen auch bedenken, dass die Migrationsberatungsstellen nicht nur Flüchtlinge beraten, sondern sich um alle Menschen mit Migrationshintergrund kümmern. Da wir mit Blick auf den Fachkräftemangel von etwa 400.000 Zugewanderten pro Jahr reden und insbesondere der Zuzug aus den osteuropäischen Ländern deutlich zugenommen hat, halten wir die geplanten Kürzungen in diesem Bereich für nicht akzeptabel.“

Hans-Joachim Lenke, Vorsitzender der LAG FW und Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachen ergänzt: „Wir brauchen in diesem Bereich eine stabile Hilfe-Infrastruktur, die dem hohen Nachfragebedarf entspricht und dabei hilft, die Herausforderungen der Migration zu bewältigen. Eine kontinuierliche Unterstützung und Orientierung bei langfristiger Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt entlastet auf lange Sicht unsere Sozialsysteme und stabilisiert den sozialen Frieden in unserem Land. In den Migrationsberatungsstellen haben wir Fachleute, die sich sowohl in den Rechtsvorschriften auskennen als auch durch die Betreuung der zugewanderten Menschen die sozialen Regeldienste und ehrenamtlichen Strukturen unterstützen.“


Hintergrundinformationen

Der aktuelle Haushaltsplanentwurf 2022/23 weist für die nächsten Jahre im Bereich Migration und Teilhabe erhebliche Kürzungen aus. Am stärksten sind die Kürzungen im Bereich der Richtlinie „Migrationsberatung“, die um bis zu 70 % bis 2024 sinken sollen, konkret von rd. 10,06 Mio. (2021) auf ca. 3,2 Mio. (2024). Das bedeutet, dass von den aktuell rd. 200 Stellen, die aktuell über die Richtlinie gefördert werden, bis 2023 rd. die Hälfte und bis 2024 70 % reduziert werden. Migration und Flucht gehören zu einer der vier großen gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre (neben Digitalisierung, Klimawandel und Demographie) und die geplanten Kürzungen sind damit nicht vereinbar. Kürzungen werden u.a. damit begründet, dass die vom Bund zur Bewältigung des Flüchtlingszuzugs zur Verfügung gestellten Mittel rückläufig seien. Anders als die übrigen Bundesländer will das Land Niedersachsen die geplanten Kürzungen umsetzen.

Diese Sichtweise vernachlässigt jedoch völlig,

  • dass der Prozess der Integration nicht innerhalb von wenigen Jahren abgeschlossen ist;
  • dass sich die Migrationsberatung auf alle Migrant*innen bezieht und nicht nur auf die Flüchtlinge;
  • dass insbesondere der Zuzug aus den osteuropäischen Ländern deutlich zugenommen hat;
  • dass die Anzahl der Ausländer*innen in Niedersachsen weiter kontinuierlich ansteigt;
  • dass mit Blick auf den Fachkräftemangel von rd. 400.000 Zugewanderten pro Jahr die Rede ist und
  • nicht zuletzt, dass die migrantische Bevölkerung von den Auswirkungen der Corona-Pandemi in stärkerem Maße betroffen ist.
    (beengte Wohnverhältnissen, oftmals Dienstleistungsberufe mit engen Personenkontakten, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit mit u.U. Auswirkungen auf den Aufenthaltstitel, größere Lernrückstände durch Distanzunterricht, sprachliche Schwierigkeiten, reduzierte Kontakte zur Aufnahmegesellschaft, Integrationsrückschritte).
  • Die Beratungskräfte sind immer öfter Mittler zwischen Zugewanderten und zum Teil schlecht erreichbaren Behörden.

Wir brauchen:

  • Eine stabile Hilfe-Infrastruktur, die dem hohen Nachfragebedarf entspricht und dabei hilft, die Herausforderungen der Migration zu bewältigen;
  • Kontinuierliche Unterstützung und Orientierung bei langfristiger Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft, was auf lange Sicht auch unsere sozialen Sicherungssystem entlastet;
  • Engagierte Beratungskräfte, die durch ihre Arbeit zum sozialen Frieden und zur Stärkung der Demokratie beitragen;
  • Fachleute, die die äußerst schnelllebige Materie des Asyl-, Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht auf dem Schirm haben und nicht nur die zugewanderten Menschen, sondern auch soziale Regeldienste und ehrenamtliche Strukturen unterstützen.

Fazit: Wir fordern die Aufrechterhaltung der Beratungsinfrastruktur auf dem aktuellen Niveau!


Pressemitteilung und Hintergrundinformation der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen.

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